"Hammer des Monats" (Novemberheft 11/2021 von "natur")

16.10.21 –

Mit Schrauben gegen die Flut

Radioaktiver Müll, wo Überschwemmungen drohen?
Keine so dolle Idee, könnte man meinen. Aber im Fall Würgassen gibt’s auch andere Meinungen

Entenhausen ist kein gutes Vorbild in Sachen Atomenergie und Müllentsorgung. Donald Duck schmeißt seinen Abfall gerne über den Zaun zum Nachbar Zorngiebel, versenkt ihn im See oder schießt ihn mit einer Müllkanone weit weg. In einer 1949 erstmals erschienenen Geschichte fasst der einfallsreiche Erpel seine Müllpolitik so zusammen: „Versenken, vergraben, verschütten und dann einen Baum darauf pflanzen! Das funktioniert!“
Ähnlich sorglos geht Donald Duck mit Radioaktivität um. In einem Comic, den der Disney-Konzern fast 50 Jahre lang im Giftschrank versteckt hielt, bastelt die cholerische Ente eine „kosmische Bombe“.
Und das geht so: „Man nehme zwei Unzen gekörnte Meteoritensubstanz, zwei Esslöffel Sternenstaub“ und die „Energie eines Kugelblitzes“. Zur Abrundung kommen noch „sieben Katzenhaare und fünf Tropfen Methan“ hinzu, schon ist die Waffe einsatzbereit.
Doch beim ersten und einzigen Atombombentest in Entenhausen macht es nur „fut“ statt
„bumm“, kein Tier kommt dabei zu Schaden. Zum Glück lösen sich die Umweltprobleme in Entenhausen so schnell und abenteuerlich in Nichts auf, wie sie aufgetaucht sind - schließlich handelt es sich um jeweils in sich abgeschlossene Comic- Geschichten. In der Menschenwelt ist das anders. Wenn Atomkraftwerke abgeschaltet werden, verschwindet der Müll leider nicht von alleine. Plutonium strahlt 240.000 Jahre. Selbst schwach und mittelstark radioaktiver Abfall muss für Hunderte Jahre sicher unter der Erde gelagert werden. Ein ernstes Problem. Doch der Umgang mancher Entscheidungsträger mit diesen gesundheits- und umweltgefährdenden Materialien erscheint zum Teil so abenteuerlich bis haarsträubend wie in einem Micky-Maus-Heftchen. So wird am Standort des abgeschalteten Atomkraftwerks in Würgassen, einem Ortsteil der ostwestfälischen Stadt Beverungen, ein Zwischenlager für radioaktiven Müll geplant - direkt an einem offiziellen Überschwemmungsgebiet an der Weser.
Die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) will in Würgassen eine riesige Halle bauen lassen, die sämtlichen schwach- und mittelradioaktiven Atommüll aufnehmen soll, der in Deutschland anfällt - aus dem Rückbau von Atomkraftwerken, aus Medizin und Forschung. In dem „Logistikzentrum“ sollen ab 2027 Behälter aus den dezentralen Zwischenlagern gesammelt und für den Transport ins Endlager Konrad zusammengestellt werden.
Doch das geplante Lager läge nicht nur direkt neben einem Areal, das im statistischen Mittel alle 100 Jahre überflutet wird (HQ100). Es befände sich auch an einem Ort, für den, wenn auch extrem selten, Hochwasserereignisse zu erwarten sind (HQextrem). Solche Extremereignisse nehmen infolge des Klimawandels bekanntermaßen zu. Gewagt. Boden in Würgassen: nicht erste Sahne Ewold Seeba, Vorsitzender der BGZ-Geschäftsführung, hat da eine andere Sichtweise: „Der Standort verfügt über die notwendigen freien Flächen und über den notwendigen Anschluss an das Schienennetz“, schreibt er auf der BGZ-Webseite. Und was ist mit der Hochwassergefahr?
Die ist nicht erst seit den verheerenden Überschwemmungen an der Ahr ein Thema. Beschäftigt die BGZ etwa einen Daniel Düsentrieb, der eine geniale Erfindung in petto hat zur Entsorgung des radioaktiven
Abfalls, eine supersaubere Atommüllabfuhr? Leider nicht. Aber dafür hat die BGZ einen erfindungsreichen Pressesprecher, der - „bumm“ - bombige Argumente gegen die Kritiker vorzubringen hat.
Der Neuen Westfälischen Zeitung präsentierte er eine pfiffige Sicherheitsmaßname gegen Hochwasser:
Denkbar sei zum Beispiel, dass die Atommüllbehälter im Zentralen Bereitstellungslager am Boden festgeschraubt werden müssen - für den Fall, dass doch mal Wasser in die große Halle eindringt. „Das könnte eine behördliche Auflage werden, damit die nicht wegschwimmen.“
Und weiter: Der Boden in Würgassen sei nicht „total kompakt“, auch „nicht die Sahnetorte mit Kirschen obendrauf, sondern eher der trockene Bienenstich, aber wir können damit arbeiten“.
Hm... Das macht einen doch ein bisschen nachdenklich.
Eine Behörde, die für die sichere Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle zuständig ist, will Atommüll an Bienenstich festschrauben, damit das Hochwasser ihn nicht wegspülen kann? Man muss nicht viel von Physik verstehen, um zu ahnen, dass so etwas wohl eher schlecht funktioniert. Wenn die BGZ mit ihrem schiefen Bienenstich-Bild irgendetwas Positives bewirken wollte, ist es misslungen. Teile der Kuchen Metapher könnten die Bevölkerung verunsichern. Man wünscht sich Daniel Düsentrieb, Donald Duck und die Neffen Tick, Trick und Track herbei. Nicht, dass es sich bei den Comicfiguren um Atomphysiker handelt, aber sie wirken irgendwie seriöser als die Experten der BGZ. Für den Plan, Atommüll am Bienenstich festzuschrauben, bekommt BGZ-Chef Seeba den Hammer des Monats - zusammen mit den frühen Jahrgängen der Barks-Library, die auch die Geschichte mit Donald Ducks Atomexperimenten enthält. Diese Story geht übrigens recht glimpflich aus.
Ein russischer Wissenschaftler klaut die Bombe und zündet sie versehentlich mit einer Zigarre. Darauf fallen den Entenhausenern alle Haare aus. Der Atombombendieb wird verhaftet - wegen „Ausübung des Friseurhandwerks ohne Gewerbeschein“.

Titus Arnu
wuchs in Sichtweite des AKW Leibstadt am Hochrhein auf. Daniel Düsentrieb erschien ihm stets vertrauenerweckender als Politiker, die betonen, wie ungefährlich Atomenergie sei.


Zusatzinformation der BI "www.atomfreies-dle.de":


Hallo alle,

anbei ein Ausschnitt der offiziellen Hochwasserkarte „HQ extrem" von Würgassen und ein maßstabsgerecht eingefügter Bauplan des ZBL. Eine um 1,25m erhöht errichtete Schaltanlage vor dem geplanten Baugelände deutet es an: Die Hochwassersicherheit auf dem Gelände nord-östlich des ehemaligen AKW Würgassen wird es nicht so einfach geben.  

Knapp 50% der Halle könnten bis zu 1m überflutet werden, weitere Bereiche mit Straßen, Gleisen und Nebengebäuden ebenfalls. Es müssen ca. 60.000 Quadratmeter um bis zu 1,25m aufgeschüttet werden um Hochwassersicherheit zu erlangen.

Zudem ist die ca. 40.000 Quadratmeter große Halle mangels Tragfähigkeit des Untergrunds auf 15m tief reichende Pfahlfundamente zu errichten.

Zur Verdeutlichung: 60.000m2 * 1,25m = ca. 75.000m3 Material (Verdichtung vernachlässigt, real noch mehr). Bei Schotter oder Lehm mit 2t/m3 spezifischem Gewicht, 40 LKW-Lieferungen am Tag (40ig-Tonner mit 25t Nutzlast) und einer 5-Tage-Woche macht das 30 Wochen Bauzeit. Allein für die Hochwassersicherheit - vom Rest ganz zu schweigen...

Was rechtfertig diesen Aufwand bei bestehenden Alternativen? Welchen Anspruch an Sicherheit haben die Verantwortlichen? Dabei ist die Hochwasserproblematik nur eine von vielen Standortschwächen des geplanten Baugeländes. Wer es mit der Sicherheit ernst meint, kann nur sagen: Würgassen? Sein lassen!

Viele Grüße
www.atomfreies-dle.de

Bilder:

Hochwassergefährdung

   


Erhöhter Stromkasten - Hochwasserschutz

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